Familienanaloge Angebote

Kombi-Familienpflege – für Mütter mit Behinderungen und ihre Kinder

„Betreutes Wohnen in Familien“ (BWF, SGB IX Leistungen zur sozialen Teilhabe) in Kombination mit Vollzeitpflege (SGB  VIII, SGB IX)

Mit dem Leistungsangebot „Kombi-Familienpflege – für Mütter/Väter und ihre Kinder“ bietet das Jugenddorf Petrus Damian die Möglichkeit, dass Mütter/Väter mit geistiger Behinderung und/oder psychischer Erkrankung im Rahmen der Eingliederungshilfe (SGB IX) in einer Familienpflege betreut und begleitet werden und in dieser Familie mit ihrem eigenen Kind in Form der Vollzeitpflege (SGB VIII/SGB IX) leben können. Beide Hilfesysteme – Familienpflege für die Mütter/Väter und Vollzeitpflege für das Kind – werden zu einer Gesamthilfe mit unterschiedlichen Kostenträgern kombiniert. Die Betreuung und Begleitung/Beratung aller im Setting beteiligten Personen erfolgt „aus einer Hand“ durch das Jugenddorf Petrus Damian.

Wenn kranke Eltern bzw. Eltern mit einer geistigen Behinderung intensive Hilfe benötigen, erhalten sie diese häufig getrennt von ihren Kindern. Denn ambulante Unterstützungsangebote der Jugendhilfe reichen für die Betroffenen im Alltag oft nicht aus. Deshalb werden Eltern und Kinder zum Schutz der Kinder häufig getrennt.

Mit diesem neuen Angebot der „Kombi-Pflegefamilien“ des Jugenddorfs Petrus Damian werden auch psychisch kranke Eltern bzw. Eltern mit einer geistigen Behinderung gemeinsam mit ihren Kindern aufgenommen. Sie werden vom Fachdienst des Betreuten Wohnens des Jugenddorfs Petrus Damian in Gastfamilien vermittelt. Diese werden darüber hinaus in Abstimmung mit dem Jugendamt als Pflegefamilien überprüft und anerkannt.

Die zuständigen MitarbeiterInnen des Teams der „Familienanalogen Betreuungsformen“ im Jugenddorf Petrus Damian berät und begleitet die neu entstandene „Großfamilie“ und unterstützt sie auch durch regelhafte Hausbesuche bei allen Alltags- und Erziehungsfragen. Die zuständigen MitarbeiterInnen sind auch AnsprechpartnerInnen für alle weiteren Kooperationspartner rund um das Kind und seine Mutter/Elternteil. Dazu gehören z. B. regelmäßige Kontakte zum Kindergarten, der Schule, dem Sportverein, dem Kinderarzt, zum anderen leiblichen Elternteil oder den Großeltern.

Das Leistungsangebot orientiert sich hinsichtlich der Vollzeitpflege und der Beratung der Pflegefamilie an den Standards des Angebotes „Westfälische Pflegefamilie“. Im engeren Sinne handelt es sich aber aufgrund der abweichenden Rahmenbedingungen nicht um eine „Westfälische Pflegefamilie“.

Wie wirkt das Betreute Wohnen in Familien auf die Kinder?

Trotz der psychischen Erkrankung bzw. geistigen Behinderung der eigenen Mutter/des eigenen Vaters kann das Kind von ihr/ihm versorgt werden und mit ihr ein gemeinsames Leben führen. Das Elternteil übernimmt die Verantwortung für ihr Kind selbst, soweit dies trotz ihrer (psychischen) Erkrankung möglich ist. Alles Weitere wird durch die Pflegefamilie unterstützt und übernommen. Diese gewährleistet, dass das Kind auch in Krankheits- und Krisenzeiten der Mutter/Vater konstant betreut und erzogen wird. Durch die soziale Bindung innerhalb der Familie wird das Kind gestärkt und in seiner Entwicklung unterstützt. Erfahrungsgemäß müssen Kinder von psychisch kranken Eltern oft schon sehr früh ein hohes Maß an Verantwortung übernehmen. Dadurch werden sie in ihrer eigenen Entwicklung blockiert und/oder überfordert. Das Risiko von Kindern psychisch erkrankter Eltern später selbst psychisch zu erkranken ist relativ hoch – wenn sie ohne konstante und verlässliche Alltagspartner aufwachsen. Dadurch, dass die Pflegefamilien die Mutter/Vater und das Kind entlasten, wird Raum geschaffen für ein kindgerechtes Verhalten und eine altersentsprechende Entwicklung des Kindes. Möglicherweise auftretende Entwicklungsverzögerungen oder Verhaltensauffälligkeiten des Kindes können frühzeitig erkannt und erforderliche Hilfen rechtzeitig eingeleitet werden. Das Kind lernt in der Pflegefamilie Vertrauen in sich selbst und in sein soziales Umfeld aufzubauen.

Für Kinder psychisch kranker Eltern sind regelmäßiger Kindergarten- oder Schulbesuch und dazugehörende Veranstaltungen wie Kinderturnen oder Kontakte zu Freunden auch außerhalb des Kindergartens/der Schule oft nicht möglich. Durch das gemeinsame Leben mit dem eigenen Elternteil und der Pflegefamilie wird es möglich, dass das Kind andere soziale Beziehungen aufbauen kann, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Familie.

Die Gast- bzw. Pflegefamilien übernehmen ein hohes Maß an Verantwortung sowohl für das Kind, als auch für den betroffenen Elternteil. Sie werden dafür verlässlich und engmaschig durch das FAB-Team (Familienanaloge Betreuungsformen) begleitet. Die Pflegefamilien sichern vor der Aufnahme zu, dass das Kind in der Pflegefamilie bleiben kann, falls das „Betreute Wohnen“ für die Mutter doch beendet werden muss. Damit ist sichergestellt, dass das Kind seine festen sozialen Bezugspersonen behält.

 

Zielgruppe

Das Angebot richtet sich an Mütter und Väter, die aufgrund einer seelischen oder geistigen Behinderung Anspruch auf Leistungen zur sozialen Teilhabe gemäß §§ 113 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX i. V. m. § 80 SGB IX haben. Voraussetzung für die Kombi-Familienpflege für Mutter/Vater und Kind ist, dass beiderseitig ein Wunsch besteht, gemeinsam leben zu wollen.

Dabei kann die Mutter bzw. der Vater aufgrund ihrer/seiner Behinderung die Erziehung ihres/seines Kindes nicht bzw. nicht ohne Unterstützung leisten. Aus diesem Grund wird Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII notwendig.

Die Wahl der Betreuungsform BWF orientiert sich an der Lebenssituation und den Kompetenzen der Mutter/des Vaters. Die Form der Hilfe muss für die Entwicklung des Kindes geeignet und notwendig sein

Rechtlicher  Rahmen Bei der Hilfe des Betreuten Wohnens für Mütter/ Väter und ihren Kindern handelt es sich streng genommen um die  Kombination zweier Hilfen mit unterschiedlichen Rechtslagen

  1. Eingliederungshilfe für die Mutter/ den Vater erfolgt nach den Leistungen zur sozialen Teilhabe gemäß § 113 Abs. 2 Nr. 4 SGB XI i. V. m. § 80 SGB IX im Rahmen der Richtlinien des Landesverbandes Westfalen-Lippe für das Betreute Wohnen in Gastfamilien (BWF Handbuch in der Fassung vom 09/2022)
  2. Hilfe zur Erziehung für das Kind erfolgt nach § 33 SGB im Rahmen der Flexiblen Vollzeitpflege, SGB IX (Eingliederungshilfe für Pflegekinder mit Behinderung orientiert am Konzept für WPF) gem. § 80 SGB IX, § 41 SGB VIII Hilfe für junge Volljährige,  Nachbetreuung
Zielsetzung Es werden gleichermaßen drei Ziele verfolgt:

  1. bezogen auf die Mutter/ den Vater: Stabilisierung der Mutter/ des Vaters, Förderung des eigenen Umgangs mit der psychischen Erkrankung, Umgang mit der Behinderung, Aufbau sozialer Beziehungen, Aufbau von Tagesstruktur, Erhalt und Ausbau von Stärken.
  2. bezogen auf das Kind: Sicherstellung des Kindeswohls, Sicherstellung einer altersgerechten Entwicklung, Entwicklung einer gesunden Identität, altersgerechte Aufklärung über die Behinderung/Erkrankung der Mutter/ des Vaters, Förderung von Fähigkeiten und Stärken.
  3. bezogen auf die Mutter/ Vater-Kind Beziehung: Anleitung und Unterstützung in Erziehungsfragen, Wahrnehmen und Klären der Bedürfnisse von Mutter/Vater und Kind, Sensibilisierung des Elternteils für die Bedürfnisse des Kindes, Unterstützung im Alltag, Entwicklung einer angemessenen Tagesstruktur, Klärung der sozialen Rollen…
Familie

Die Auswahl der Familie erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem Jugendamt.

Die Familien müssen folgende Grundbedingungen erfüllen

  • Zeit und Präsens für die Betreuung
  • Ausreichende Räumlichkeiten für Mutter/Vater und Kind
  • Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Fachteam
  • Bereitschaft, das Kind im Krisenfall auch ohne die Mutter/den Vater zu betreuen

Die Familie durchläuft eine Qualifizierungsmaßnahme der Teams von BWF und WPF und wird auf die Maßnahme vorbereitet.

Fachliche
Begleitung

Die fachliche Begleitung erfolgt durch die Mitarbeiter/innen der FAB-Teams.

Aufgaben sind:

  • Vorbereitung, Information und Aufklärung der Familie
  • Kontinuierliche Begleitung durch regelmäßige Hausbesuche
  • Hilfeplanung
  • Begleitung der vereinbarten Maßnahmen
  • Hilfestellungen zur Alltagsbewältigung
  • Beratung in Problem- und Konfliktsituationen
  • Reflexion der Beziehungen, Schaffen von Rollenklarheit
  • Anbieten von Vernetzungsmöglichkeiten
Hilfeplanung

Die Hilfeplanung für das Kind erfolgt in enger Kooperation mit dem zuständigen Jugendamt oder dem LWL.

Für die Mutter/den Vater wird ein Entwicklungs- und Sozialbericht für den jeweiligen Bewilligungszeitraum erstellt.

Finanzierung Bei der beschriebenen Hilfeform werden grundsätzlich drei verschiedene Formen von Leistungen finanziert

  1. Eine Aufwandsentschädigung für die Familie zur Betreuung des Kindes (es werden dazu die geltenden WPF-Sätze herangezogen, Tagessatz)
  2. Eine Aufwandsentschädigung für die Familie zur Betreuung der Mutter/des Vaters (gemäß der aktuell geltenden Sätze für BWF des LWL und des örtlich zuständigen Sozialhilfeträgers)
  3. Leistungen für die fachliche Begleitung und Beratung der Familie bezogen auf das Kind, den Elternteil und das gesamte Setting (BWF: Monatsbetrag gemäß geltendem LWL-Satz, Tagessatz für Vollzeitpflege orientiert sich analog am aktuell gültigen WPF-Satz 1:10/1:15, für die ersten 6 Monate der Qualifizierungsphase wird der höhere Satz zu Grunde gelegt.)